Da lag Sie nun. Sie kam aus Spanien und unser Treffen war eher zufällig. Ihre Rundungen waren genau richtig und auch die handliche Größe regte meinen Appetit an. Die gesunde Farbe der Haut zeigte, dass sie viel in der Sonne war. Dabei störte es mich auch nicht, dass sie eine Orangenhaut hatte. Alles stimmte.
Doch trotz meines klaren Zieles, sie zu genießen, ging ich recht stumpf vor. Einfach zu haben war sie nicht. Nur stückchenweise konnte ich sie aus ihrem leuchtenden Kleid schälen. Hier und da spritzte der erste Saft. Die letzten Reste des weißen Unterkleides erforderten noch meine größere Aufmerksamkeit. Doch dann war es geschafft.
Nun konnte mich nichts mehr halten. Sanft strichen meine Finger über die ungleichmäßige Oberfläche des Fleisches — auf der Suche nach der passenden Stelle. Als ich diese fand, drückte ich meine Daumen tief hinein.
Der Saft lief heraus und tropfte auf den Teller. Stück für Stück genoss ich das süße Fruchtfleisch, bis von ihr nichts mehr blieb. Zufrieden lehnte ich mich zurück und seufzte, weil es so schnell vorbei war.
Nur Ihr Duft haftete noch an meinen Händen.
Hinweis:
Dieser Text entstand im Rahmen des Schreibseminares von Ralf Jüngermann. Es war die Aufgabe, eine Orange zu schälen und darüber zu schreiben. Trainiert wurde der Schreibprozess. Mein Anspruch war, dass ich mal etwas anderes ausprobierte in der Darstellung. Achja, der Küchenzuruf lautet: Eine Orange vernaschen.